Ich habe so viel nachgedacht die letzten beiden Wochen. Mir qualmt schon der Schädel. Aber vielleicht, ganz vielleicht, hoffentlich, ziemlich sicher, ich bin überzeugt, dass hat sich gelohnt.
Folgende Problematik: Kind 1 besucht eine Kita die so ist wie früher bei Oma, oder wie bei dir und mir, keine Ahnung. Es gibt jedenfalls nur eine (ja! richtig gehört!) Gruppe, das ist auch noch eine Elementargruppe (also nichts mit minikleinen Kindern, die ihre Mama vermissen und es nicht sagen können) und da sind sage und schreibe 16 Kinder drin. Mehr nicht. In Worten sechzehn. Der Kindergarten hat auch nur von 8:30 Uhr bis 12:30 Uhr geöffnet. Mittagessen gibt es zu Hause, Frühstück wird mitgegeben (also von den Eltern, nicht von der Kita, das muss man ja dazu sagen). Es gibt drei Erzieherinnen, die sich abwechseln, es sind immer zwei Erzieherinnen da, immer. Es gibt keine Erzieherinnen aus wildfremden Gruppen, die im Krankheitsfall hin und her springen und die Kinder dieser Gruppe nicht kennen. Krankheitsfälle gab es im letzten Jahr keinen einzigen, alle Erzieherinnen waren das ganze Jahr gesund. Außerdem schließt der Kindergarten die kompletten Schulferienzeiten. Für diejenigen unter euch, die lange nicht in der Schule waren: 2 Wochen Osterferien, 6 Wochen Sommerferien, 2 Wochen Herbstferien und 2 Wochen Winterferien. Da werde ich schon immer sehr doof für angeguckt. „Warum machst du das denn?“ kommt da gerne, oder auch mal „Was machst du denn 6 Wochen am Stück mit deinem Kind??“….das ist kein Witz, liebe Leute, das werde ich gefragt.
Die Antwort darauf lautet: spielen, toben, sich gegenseitig erleben und ganz wichtig: NICHTS. Ich mache NICHTS, NULL, NADA. Klingt jetzt doof? Dann ersetzen wir das mal durch das altmodische Wort „Muße“. Wir verbringen Zeit mit Muße.
Nun ja, jetzt zur angesprochenen Problematik. 2019, wenn das kleinste Kind auch drei Jahre alt sein wird, hatte ich gedacht wieder arbeiten gehen zu wollen/müssen/dürfen/können. Das ist bei diesen Schließzeiten aber nahezu unmöglich, selbst wenn man Lehrerin ist, so wie ich. Beim Stundenplan meiner Schule würde ich nur die dritte Stunde stressfrei arbeiten können. Das ist Blödsinn, bei aller Liebe.
Nun gibt es also folgende Möglichkeiten:
- Die Kinder wechseln im Sommer 2018 allesamt in eine andere Kita mit Schließzeiten, die mir ermöglichen arbeiten zu gehen.
- Die Große bleibt bis 2019 in diesem Kiga, muss dann aber 2019 zwingend zur Schule und die Mittlere geht von Anfang an in einen Kiga mit längerern Schließzeiten, damit sie nicht wechseln muss. In diesen Kiga geht dann 2019 auch der kleine Zwerg.
- Ich frag mich mal, ob das mit dem Arbeiten wirklich so nötig ist. Ist das mein echter Wunsch? Will ICH das wirklich oder will es mein EGO, die Gesellschaft, die Politik oder irgendwer sonst?
Ich dachte ganz lange nicht an Möglichkeit Nummer 3. Die war gar nicht in meinem Kopf, da war kein richtiger Raum für. Kein Weg, den dieser Gedanke gehen konnte. Aber dann hat sich der Gedanke eine Machete genommen und sich den Weg freigeräumt und jetzt ist er da.
Aber wie kam es dazu? Wir, also der Mann und ich, haben uns auf die Suche nach einem neuen Kindergarten begeben. Einen der „besser“ passt. Und dabei festgestellt, dass es viele Kindergärten gibt die besser passen, aber keinen der besser ist.
- Alle Kindergärten haben große Gruppen von 22 oder 23 oder 24 Kindern.
- Alle Kindergärten haben mehr als eine Gruppe, meistens drei oder vier, manchmal fünf im „Haus“. Bedeutet insgesamt zwischen 60 bis 100 Kindern.
- Alle Kindergärten haben nicht nur Elemtargruppen sondern auch Krippengruppen. Das bedeutet, wenn im Krippenbereich jemand krank wird, wird dort als erstes ausgeholfen, und das durch die Kollegen aus dem Elementarbereich. Dann sind dort plötzlich nicht mehr zwei Erzieher, sondern nur noch einer.
- Die Erzieher die wir aus diesen Kindergärten kennengelernt haben, waren alle nett und kompetent, aber auch überarbeitet und überfordert. Wenn man ehrlich ins Gespräch kam und das zugelassen hat, war das schnell klar. Ich kann das verstehen.
Und da begann es mir, und meinem Mann auch, so langsam schlecht zu werden. Das konnten und können und wollen wir uns nicht für unsere Kinder vorstellen. Natürlich. Eines Tages kommt die Schule, und die ist auch größer und da sind viele Kinder und wenige Lehrer. Aber dann sind die Kinder auch größer und durften vor allem echt lange Kind sein. Ich, respektive wir, wünschen uns für unsere Kinder
- Zeit
- eine Umgebung von Menschen, die Spaß haben an dem was sie tun
- eine überschaubare Kindermenge, die sie wirklich kennen lernen können und in der sie die Ruhe haben zu werden, wer sie sind. Ruhe sich zu entfalten.
Ja, und dann kam der Gedanke mit seiner Machete. Und ich habe ihn meiner Freundin per WhatsApp als Sprachnachricht geschickt. Es war ein wildes einfach-die-Gedanken-sprudeln-lassen. Am Ende sagte ich etwas wie, ich weiß nicht was ich gerade möchte, wo ich stehe, diese Zeit ist so wertvoll und wichtig für die Kinder und auch für mich. Aber alle schreien nach Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit, Rentenversicherungen und und und. Und ihre Antwort war:
„Warum kann Familie und Kinder nicht Selbstverwirklichung sein?“
Buuum! Das saß. Sie sagte noch, du hast dich so verändert, du gehst diesen Weg mit deinen Kindern so krass, veränderst dich, adaptierst, bleibst dir doch immer treu. Das ist Wahnsinn, deine Kinder sind Wahnsinn, das ist doch Selbstverwirklichung.
Ja, und das stimmt. Es ist und bleibt Luxus Zeit zu haben. Es ist und bleibt das einzig wirklich begrenzte Element unseres Lebens. Nichts ist Unmöglich. So lautet der Zeitgeist. Doch sage ich, dein Leben zu verlängern, das ist unmöglich.
Und dann saß ich gestern, nach einem Spaziergang mit einer tollen Frau und Mutter mit vielen Gedanken zu diesem Thema, mit meinem Mann zusammen und ich hab ihm meine ganzen vielen Gedanken formuliert und dabei liefen mir schon die Tränen, weil es so ein emotionales Thema für mich ist. Er hörte mir nur zu und hatte große Augen und guckte ganz sanft. Und ich sagte:
„Ich glaube nicht, dass wenn ich – angenommen 2060 – sterbe, ich mich erinnere an die Zeit von 2019 bis 2023 und sagen werde: ‚Hätte ich da mal mehr gearbeitet, hätte ich da mal mehr verdient, hätte ich da mal in meine Rentenversicherung gezahlt.‘ Nein, ich glaube ich werde sagen, wenn sich mein Leben dem Ende neigt und ich die Chance habe es revue passieren zu lassen: ‚Diese Zeit von 2019 bis 2023, in denen ich nur für die Kinder da war und ihnen eine ECHTE Kindheit ermöglicht habe, in der wir Zeit miteinander, füreinander hatten, das waren die goldenen Jahre, das war meine, unsere Zeit.‘ Ich glaube ich werde es nie bereuen zu Hause geblieben zu sein und immer bereuen es nicht getan zu haben.“
Und er sagt. „Ja. Das ist schön.“