Immer wieder Paris

Es mangelt wahrlich nicht an Berichten und Kommentaren zu den Ereignissen des 13. Novembers 2015 in Paris.  Trotzdem habe ich das Bedürfnis auch meine Gedanken dazu festzuhalten.

Ich habe so gesehen Glück. Meine Kinder sind noch sehr klein.  Sie haben von den Attentaten nichts mitbekommen und ich gerate nicht in Erklärungsnöte. Kindern zu erklären was dort passiert ist, ohne das sie Angst oder Verunsicherung spüren, halte ich für eine große Herausforderung.

Aber das ist gar nicht mein Hauptglück, wenn man das überhaupt so nennen kann. Irgendwie finde ich die Bezeichnung „Glück haben“ in dem Zusammenhang fehl am Platz. Denn es hätte jeden von uns treffen können.  Jederzeit und überall.  Es hat weniger mit Glück als mit einer perversen Willkür unmenschlicher Fanatiker zu tun.

Vielleicht ist es besser zu sagen ich bin verschont geblieben, nicht nur von den Attentaten direkt (denn weder ich noch ein mir nahestehender Mensch wurden verletzt),  sondern meine Kinder sind eben noch klein. Sie fühlen nicht die Unsicherheit, die wie ein Ruck durch das Land geht. Sie wissen nichts von der Bedrohung die überall zu lauern scheint.  Kurz; für sie hat sich nichts geändert .

Und auch auf eine andere Art fühle ich mich verschont: durch das Alter meiner Kinder ist es nun mal so, dass sie noch nicht raus in diese Welt ziehen. Sie gehen noch nicht auf Konzerte.  Machen kein Auslandssemester in einer der schönsten Städte Europas. Sie sitzen nicht am Freitag Abend  in einem Café oder Restaurant und feiern ihr unschuldiges , freies Leben.

Ob ich dadurch die Möglichkeit habe sie besser zu beschützen weiß ich nicht.  Aber ich werde alles tun was in meiner Macht steht.

Ich wurde wie oben geschrieben nicht direkt getroffen.  Aber ich bin verletzt.  Wir sind alle verbunden miteinander, das was dort passiert hat mir weh getan und tut es noch. Während ich in meinem Bett lag und den Atemzügen meiner schlafenden Kinder lauschte und unsere Herzen im Gleichklang schlugen, verloren gar nicht weit weg Eltern ihre Kinder und Kinder ihre Eltern.  Durch Taten die so grausam wie kaltblütig wie sinnlos sind.

Wie es ist diesen Schmerz aushalten zu müssen kann ich mir nicht im Ansatz vorstellen. Allein der Gedanke darsn schmerzt und macht mich krank.

Das alles hallt in mir jeden Tag nach und ich bete zu Gott, dass er diesem Terror ein Ende machen möge. Das wir alle unser freies Leben wieder so leben können wie bisher. Das ich meine Kinder, wenn es Zeit dafür ist, in eine Welt ausziehen lassen kann, die verstanden hat, dass wir alle eins sind.  Wir und unsere Götter auch.

 

Werbung

Und plötzlich hab ich gedacht „Brauchst du gar nicht…den Mantel von der Melli „

Alles Quatsch. Mal runterkommen. Mal durchatmen. Mal neu fokussieren.  Heute ist es passiert.  Die Melli kenn ich von den Musikzwergen. Ihr Sohn und meine Tochter machen einmal die Woche zusammen Musik. Also mehr oder weniger.  Wir Mamas sitzen im Kreis, singen mit ungeübten Stimmen viel zu hohe Kinderlieder und freuen uns, wenn die Kleinen da auch nur ansatzweise mitmachen.  Mütter eben. Jedenfalls war die Melli mit mir parallel schwanger (also jetztmit unseren zweiten Kindern) und nun ist es so; die ist immer ganz nah dran an perfekt. Die Klamotten passen immer zusammen  (und sind immer sauber!), die Frisur sitzt, das Auto ist gewaschen, das Kind ist durchgestylt und hübsch ist sie auch noch. Und heute, während ich im Auto saß und fuhr ( so 40km/h) ,  da bemerkte ich einen tollen Mantel.  Der war gewagt, nämlich blau mit weißen Punkten und nem tollen Schnitt.  Der spazierte da am Wegesrand. Sah so nach teurer Hamburger Individualistenmarke aus, DERBE, oder so. Naja und beim zweiten Hingucken. Wer steckt drin im Mantel?  Sie ahnen es: die Melli! Ja hab ich gedacht, das war ja klar, wer sonst. Und dann bin ich im Kopf meine Garderobe durchgegangen und hab gedacht;  so nen mutiger, cooler Mantel, der fehlt dir aber noch. Und es war so ein bisschen wie in der Werbung, als hätte der Mantel mit einem Versprechen gewunken, dass alles ganz leicht von der Hand geht (mit zwei Kindern und so) und auf Schlag glücklich und zufrieden macht er auch.

Das war ja heute vormittag.  Und irgendwie hab ich im Laufe des Tages immer wieder dran denken müssen.  Ich bin per se kein neidischer Mensch. Also sollte das jetzt im Fall Melli etwa so weit sein? Ich bin auch kein allzu materialistischer Typ. Ja, ich mag schöne Sachen und ich mag auch Shoppen, aber ich brauche Luxusgegenstände nicht zum glücklich sein. Also warum löst das alles so eine komische Sehnsucht in mir aus?

Wenn Sie denken jetzt kommt die Antwort, muss ich Sie enttäuschen. Die Antwort ist leider noch nicht vorrätig.  Aber es zeichnet sich eine Tendenz ab; ich glaube ich habe mir selbst ( entweder aufgrund meiner eigenen Erziehung oder aufgrund gesellschaftlicher Strömungen  (also kurz; dem Zeitgeist ) ) verboten, Bewunderung gegenüber anderen Menschen walten zu lassen.  Da kommt irgendwie automatisch Misstrauen mit hoch. Abr ich bewundere es, wenn jemand einen Stil hat, den man quasi auch aus dem Augenwinkel bei 40km/h sofort erkennt, wenn jemand sein Leben im Griff hat bewundere ich das auch. Da braucht man nicht komisch werden, es ist doch ok zu jemandem aufzuschauen (oder hinzuschauen) und zu denken „Hey, ich hab den Eindruck du bist cool und kriegst das alles gut geregelt! „. OHNE dass man sich selbst dabei schlechter fühlen muss. Warum denn? Eventuell kann der andere gerade wegen dieser Bewunderung als Antrieb und Schwung dienen!? Und  genau mit dieser Erkenntnis haben sich meine Melli-Gedanken schlagartig beruhigt. Was wohl beweisen dürfte, dass ich damit nicht auf dem totalen Holzweg bin.  Und dann kam noch ein toller Gedanke dazu, ohne dass ich den forciert habe, der kam einfach so, quasi freiwillig: „Brauchst du gar nicht, den Mantel von der Melli, hast selbst schöne Mäntel. „.

Der Tag an dem mein Kind das Sch…- Wort lernte

Lange nichts geschrieben, lange nichts gehört, aber das hatte nun wirklich seinen Grund. Hier begab es sich nämlich vor einiger Zeit, dass einiges aus den Fugen geriet. Und zurück in die Spur finden ist nicht unbedingt schwieriger als früher, aber es dauert länger. Das ist so ähnlich wie mit dem Kater, konnte man früher 3 Tage hintereinander durchfeiern und es genügte der halbe Sonntag und man war wieder auf Normalnull, so ist es doch heute gänzlich anders. Ein Abend ein bisschen länger aus, ein kleines Glas mittelstarken Alkohol zuviel und schon braucht man nicht einen halben Tag Regeneration, sondern direkt eine halbe Woche.
Und wir haben hier eine Woche hinter uns gebracht im September mit wenig Schlaf, viel Krankheit und viel Stress, die jetzt, so nach 4 Wochen endlich komplett verkraftet scheint. Klingt komisch? Ist aber so.
To make a long story short, hier im Telegrammstil: Der Mann eine Woche auf Fortbildung. Am ersten Abend alleine ereilt mich das traurige Gespräch mit einer Freundin über die Totgeburt, die ihre Schwester erleiden musste. Traurig und mitgenommen ins Bett. Um 3 Uhr aufgewacht und überzeugt gewesen Einbrecher im Haus zu haben. Herzklopfenderweise raus, Kinder schliefen. Gelauscht. Geräusch kam aus dem Badezimmer. Da schläft doch der Hund. Tür auf, kein Hund da. Der hockte in der Badewanne, dort war er schmerzerfüllt hineingesprungen (es sollte sich im Laufe der Woche herausstellen, dass er einen gequetschten Schwanz hatte und sich diesen so blutig gebissen hatte in jener Nacht, dass er vor Schmerz in der Badewanne landete). Hund aus der Wanne raus. Der war so schmerzerfüllt und schrie (der jaulte nicht, er schrie), dass ich ihn keine Sekunde aus den Augen lassen konnte. Gott sei Dank schliefen beide Kinder. Anruf bei meinen Eltern. Bitte um sofortiges Erscheinen. Gesagt getan (meine Eltern sind spitze!). Dann mit dem Hund zum Notarzt. Fehldiagnose (das führte dazu dass der Hund weiterhin Schmerzen hatte und mich 2 Tage auf Schritt und Tritt verfolgte). Erst dann fuhr ich (mea culpa) zu unserem Haustierarzt, der die richtige Diagnose stellte und auch den Schmerz endlich behandelte. Am Morgen dieses Tages (meine Nettoschlafenszeit lag bei ziemlich genau zwei Stunden. Und diesmal war netto=brutto) wachte das Jadekind mit Fieber und Bläschen auf der Zunge auf. Direkt vom Tierarzt zum Kinderarzt (nur vorher kurz Hund gegen Kind getauscht), Diagnose: Scharlach (Gott sei Dank stellte sich das auch als falsch heraus). So war ich dabei einen Hund, ein großes Kind und ein kleines Kind (die nun in osteopathischer Behandlung ist und sich seit dem viel gebessert hat), das sehr unruhig und weinerlich war, zu versorgen. Ende vom Lied war, dass ich an diesem Abend keine Milch mehr hatte und das kleine Bernsteinmädchen nun obendrauf auch noch aus Hunger schrie. Der echte Wahnsinn aber kam am nächsten Tag. Hund hatte sich etwas beruhigt, der Rest auch. Hund zum morgendlichen Geschäft machen in den Garten gelassen. Plötzlich jaulte der wieder. Hinausgerannt mit dem Jadekind ohne Schuhe auf dem Arm. Hatte den Hund doch tatsächlich eine Biene genau in seine wunde Schwanzstelle gestochen. Streng nach dem Motto: Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech hinzu. Diese Biene jedenfalls hing da nebst Stachel auch noch dran. Hund sprang wild umher, ich mit Kind auf dem Arm hinterher, um das Übel zu entfernen. Dabei, ich gestehe, ist mir nicht aufgefallen, dass ich wohl so an die vier, fünf mal, das Wort „Scheiße!“ ausrief. Dessen wurde ich mir erst bewusst, als Biene und Stachel raus, der Hund ruhig, wir wieder drin und das Jadekind mit nacktem Füßen auf dem Teppich stehend „deisse, Mama!“ sagte. Wohl wahr. Schlaues Mädchen.
Unnötig zu erwähnen, dass diese Woche sich genau so weiterentwickelte und ich, als der Mann am Ende der Woche wieder da war, irgendwie leicht neben mir stand.
Aber, und das muss ich noch erwähnen, weil es meine Theorie unterstützt, dass Authentizität in der Kindererziehung der Schlüssel zu vielen Erfolgen ist:
Das Jadekind erledigt ihren Mittagsschlaf stets ohne Begleitung, heißt; hinlegen, guten Schlaf wünschen, Zimmer verlassen, Kind schläft. Abends gestaltet sich das anders, sie möchte in den Schlaf begleitet werden, das sieht dann eben so aus, dass jemand neben ihrem Boot sitzt (das Bett ist ein Boot, also kein Gitterbett mehr) und sie streichelt oder ihr etwas erzählt, je nachdem. Je nach Energielevel schläft sie dann innerhalb von 10-30 Minuten ein. An diesem ersten Abend, nahm ich wie gewohnt neben ihr Platz und sagte Folgendes „Hör mal Jadekind, ich bin total müde, ich kann nicht mehr. Ich muss jetzt noch was essen und dem Hektor den Schwanz verbinden. Ich kann nicht bei dir bleiben heute, aber nachher, wenn du eingeschlafen bist, da guck ich nochmal nach dir.“ Dieses wunderschöne kluge Kind schaute mich kurz an, vergewisserte sich der Ernsthaftigkeit dieser Aussage durch einen Blick auf meine Augenringe und sagte dann: „OK, Mama!“
Das war’s, kein Geweine, kein Nachfragen, nichts, sie hatte es schlicht begriffen, es war die Wahrheit.
Da war ich doch noch etwas stolz, weniger auf mich, sondern mehr auf das Kind. Was war sie groß geworden.
Mittlerweile sind wir zum alten Ritual zurückgekehrt, vor allem weil es sich mein Mann nicht nehmen lassen möchte. Diese sanften letzten Minuten eines Tages mit ihr zu verbringen. Aber es ist gut zu wissen, dass es auch anders geht. Und zwar ohne Tricks.