Erziehungskrisen-Beziehungskrisen. Vom Scheitern und Wachsen an den eigenen Maximen.

Oh nein oh nein. Oh manno. So würde unsere große Tochter wohl diesen Beitrag beschreiben. Und damit ist auch eigentlich schon fast alles gesagt. Wir hatten die vergangene Woche einige Krisen. Normalerweise ist das Jadekind das was man weithin als „pflegeleicht“ und „Sonnenschein“ bezeichnen würde.  Will heißen sie ist selten quakig, meistens gut drauf, für ihr Alter erstaunlich einsichtig und vernünftig -eben eine ganz Liebe. Auch ihrer kleinen Schwester gegenüber, die ja nun immerhin seit 8 Wochen einen beträchtlichen Teil Aufmerksamkeit, die ihr zur Verfügung stand, einfordert, verhält sie sich lieb und umsichtig.  Da wird der Schnuller zurück gestopft wenn er verloren geht, ich werde sofort mit einem energischen „Mama! Bebe beint!“ informiert, sobald das Bernsteinmädchen in den Beschwerdemodus übergeht (daswürdeichsonstglattüberhören.NICHT.), es werden Küsschen verteilt und wenn ich das ‚Bebe‘ stille, dann beschäftigt sich die ‚Große“ wunderbar alleine.  Also alles ist gut. Beziehungsweise war gut.

Denn seit einigen Tagen geraten wir immer mal aneinander. Und auch wenn ich weiß,  dass das völlig normal und sogar wichtig für die Entwicklung des Jadekindes ist, ist es für mich die bisher größte Herausforderung.  Ich selbst bin nämlich ein stark auf Harmonie bedachter Mensch.  Zumindest im Kreise meiner Familie  (imArbeitslebenhalteichDisharmonienwesentlichbesseraus). Aber das Aushalten derselben gehört zur Erziehung einfach dazu. Vielmehr finde ich es sogar sehr wichtig Kindern zu vermitteln, dass auch Streitigkeiten, Meinungsunterschiede, unbequeme Ge-und Verbote nichts, aber auch gar nichts an der BEziehung zueinander ändern. Ich möchte meinen Kindern ganz platt gesagt klar machen, dass ich sie im Streit und wenn sie bockig und schwierig und nervig sind genauso liebe, wie in den Momenten in denen sie brav, gehorsam und angepasst sind. Eigentlich halte ich das für das KERNELEMENT des ‚groß‘ werdens: Als Kind das (Selbst)Bewußtsein zu haben, dass die Überschrift ‚“Ich bin genau so gut, wie ich bin.“ tragen könnte.  Und nun ja. Nach dem große-Rede-schwingen muss ich zugeben, dass es mir sehr schwer fällt in besonderen Situationen nach meiner eigenen Maxime zu handeln.

Da war zum Beispiel dieser Tag an dem das Bernsteinmädchen nur weinte und nur an die Brust wollte und es nur regnete. Und weil das Jadekind in der Woche davor von der Hand-Fuß-Mund-Krankheit mit hohem Fieber geplagt war (und da sehr viel Mitleids-werd-schnell-gesund-Boni genossen hatte) oder einfach nur so oder weil die kleine Schwester mit ihrem vielen Gemeckere auch bei ihr die Nerven seziert hatte,  türmte das Jadekind beim Spaziergang.  Wir befanden uns gerade in einer Sackgasse  (imdoppeltenSinnequasihaha), so dass ich beschloss zu pokern. Das bedeutet ich stürmte nicht hinterher, sondern rief das Kind. Das lief unbeirrt weiter. Weiterpokern. Ich schob mich nebst Kinderwagen aus dem Sichtfeld, das Kind lief unbeirrt weiter. Pokerface adè.  Ich bekam langsam Muffensausen wegen der Autos ( konntediekurzeSackgassenstraßegutüberblickenabertrotzdem) und bin dem Kind dann doch hinterher. Packte es unter den Arm. Sagte kurz es müsse hören wenn ich rief. Das Kind nickte das so ab. Bis wir zurück beim Kinderwagen  (hatteichbeimSprintnichtdabei) waren, weinte das Bernsteinkind. Bis ich dieses beruhigt hatte, startete das große Mädchen die gleiche Aktion nochmal, nur in andere Richtung: Ich rief -sie lief. Nochmal 2 große, schnelle Schritte, dann hatte ich sie. Unter den Arm geklemmt und verlauten lassen, dass wir nun nach Hause gehen. Geweine. Das hab ich bis wir zu Hause waren ignoriert (genauwiedieZuschauerdiewirbisdahinhatten).  Als wir zu Hause ankamen, wollte das Jadekind geschaukelt werden und ich dachte „Ok- sie ist auch noch klein. Lassen wir es gut sein, das hat bestimmt sowieso „gesessen“.“ Nun, beim Schaukeln war prima Stimmung.  Als wir dann rein wollten (wegenbeginnendenRegens),  lief sie wieder weg. NACHDEM die Schuhe ausgezogen waren natürlich. .. Ich ließ sie laufen (GartenisthermetischabgeriegeltSäuglingweinteschonwiedermeineLuftwarraus) und dachte : die kommt schon. Keine Frage.  Sie kam nicht. Auch nicht nach 30 Minuten, die ich mit Säugling an der Brust von einem Beobachtungsposten zum nächsten schlich. Also ging ich raus, sagte noch einmal „Komm jetzt bitte rein!“ und nachdem nichts passierte  (aberimmerhinauchnichtRichardKimblemäßigdieFluchtangetretenwurde),  schnappte ich sie unter den Arm und trug sie rein. Diesmal kein Widerstand.  Auch nicht verbal. Bis zum Abend hatten wir eine gute Zeit.

Aber dann passierte es. Nach unseren üblichen  Ritualen,  sollte es nach oben gehen. Weil der Papa beim Säugling war, übernahm ich den Job (seitetlichenTagenmalwiederichwarjameistbeimSäugling). Das Jadekind tobte und schrie, weil es nicht nach oben wollte. Als wir endlich oben waren, wollte sie zu ihrem Papa. Als ich ihr erklärte  (eswargraderuhiggewordenimSchlafzimmerundichdachteGottseiDankdasBabyschläftendlichbloßnichtstören),  dass der Papa nicht könne kam zu dem ohnehin schon vorhandenen Trotz noch Wut dazu. Das Jadekind machte ein Wutknurrgeräusch (dasichnochnievonihrgehörthatte), lief auf mich zu und patschte nach mir. Abgesehen davon, dass ich erschrocken war, war ich auch sofort (innerlich natürlich) verletzt und mir kamen die Tränen.  Das passierte dann noch einmal und ich war in diesem Moment so hilflos überfordert, das ich sie einfach packte, in ihr Zimmer trug und die Tür HINTER mir zumachte. Ich ließ sie allein! Ich glaub ich sagte noch etwas in Richtung „Wir hauen uns hier nicht. Ich komm wieder, wenn du dich beruhigt hast!“. Dann war Ruhe. Auf beiden Seiten der Tür. Urplötzlich.  Ich lauschte und hörte sie dann vor sich hin sagen „Oh nein. Oh man oh man!“. Besser hätte ich es nicht sagen können.  Mir kamen die Tränen.  Ich war erschrocken. Über ihr Verhalten und meins auch. Ich atmete dreimal tief durch (ganzbewußt) und betrat das Zimmer  (dawarenvielleicht60Sekundenum). Sie lag auf ihrem Bettchen und schaute mich an. Ich fragte ob ich ihr ein Buch vorlesen soll -„Ja, Mama!“…so haben wir es dann gemacht. Dabei wurde sie ab und zu noch von rinem Schluchzer geschüttelt (daskennichsooogutvonmir). Schlussendlich ist sie neben mir eingeschlafen und hat dabei das obligatorische Schlafkuscheln eingefordert : „Ei Mama bitte!“. Soweit so gut. Aber an dem Tag war ich echt durch mit der Bereifung.

Was war da los? Ganz normal? Beginn des Trotzalters? Zuviel von allem (Babygeweine, angespannte Mama, dann noch kein Papa zum ins Bett gehen,…)?

Und was hätte ich noch oder anders machen können? Hab ich ich mich an meine eigene Maxime  ( Streit ändert nichts an unserer Beziehung ) gehalten oder ist es doch (bis jetzt) nur eine hohle Phrase?

Wie seht ihr das? Kennt ihr das? Ich hab jedenfalls viel nachgedacht darüber und hoffe in der nächsten so gearteten Situation etwas mehr Souveränität und innere Ruhe ausstrahlen zu können.  Das hat mir hierbei definitiv gefehlt denk ich …

Freu mich über Kommentare.

AHOI, eure Aline

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Wieviel Kinder hätten Sie denn gerne?

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JAHAAA. Diese Frage beschäftigt mich gerade STÄNDIG.  DAUERND.  UNAUFHÖRLICH.  Es ist schon ganz nervtötend.  Sogar für mich selbst. In jungen Jahren, gekoppelt mit einer Liebesleben -Pechsträhne lautete meine Antwort: „Gar keine!“. Und das hab ich ernst gemeint. Damals.  Zum Nach- und Umdenken brachte mich ein intensives Gespräch mit meinen Eltern.  Es war kurz nach dem Tod meines Opas. Da meine Oma bereits einige Jahre vor ihm gestorben war, lebte er allein in dem seit Jahrzehnten gemeinsam bewohnten Haus, in dem auch die drei gemeinsamen Kinder (darunter mein Vater) groß gezogen wurden.  Das Haus gehörte früher seinen Eltern (also denen meines Opas) und auch er war also dort groß geworden.  Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass er sich dort nicht nur sehr wohl fühlte, sondern auch sehr an diesem, seinem Zuhause hing. Durch eine gute Pflegeversorgung war es möglich dass er (wie meiner Oma auch), in diesem Haus alt  werden und letztendlich sterben konnte.  Die beiden haben tatsächlich nicht einen Tag ihres Lebens in einem fremden Haus gelebt.

In jedem Fall hielten seine drei Kinder und Schwiegerkinder Wache als er im Sterben lag. Sie lösten sich ab, so dass er nie alleine war. Einige Tage ging das so, bis er schließlich friedlich einschlief. Im Beisein seiner Kinder. In dem Gespräch, das kurze Zeit später zwischen mir und meinen Eltern stattfand  (die wussten von meinem „Nicht-Kinder-Wunsch“), bat ich sie darum mir die letzten Stunden im Leben meines Opas zu erzählen. Das taten sie ganz ruhig und ausführlich.  Zwischendrin weinten wir immer wieder,  aber es war schön so intensiv an ihn zu denken und ihm dadurch nah zu sein. Schließlich endete das Gespräch mit einem Satz meines Vaters den ich bis heute nicht vergessen habe: „Und deshalb Aline, ist es wichtig Kinder zu haben, damit man nicht alleine ist am Ende des Lebens.“ Natürlich hat er das nicht ausschließlich gemeint, also will heißen; meinem Vater ist schon klar dass man auch wenn man Kinder hat alleine sterben kann. Genauso ist ihm klar, dass das nicht der alleinige Grund zum Kinder kriegen ist. Aber es war in dem Moment ein Aspekt der absolut einleuchtete und den er glaub ich zu mir eher in SEINER Rolle als Sohn, der seinen Vater beim Sterben begleitet hat sagte, als in seiner Rolle als MEIN Vater.  Er wollte mich nicht belehren und nochmal erzieherisch tätig werden, es kam ganz tief von Herzen, als wäre es eine Erkenntnis, die er gerade gehabt hatte und mit mir teilen wollte.

Auf jeden Fall erinnere ich dieses Gespräch als inneren Wendepunkt für mich. Nicht als Hau-Ruck-Variante, es war nicht plötzlich alles anders. Eher wie ein Impuls, der etwas ins Rollen bringt.

Und mit den Jahren und dem passenden Partner war er plötzlich ganz selbstverständlich da, der Kinderwunsch.  Zwei Kinder hätten wir gern. Da waren wir uns einig.  Also haben wir Nägel mit Köpfen gemacht und sind den ganz klassischen Weg gegangen; Haus gekauft, Heirat, das Jademädchen kam im Sommer 2013 und das Bernsteinmädchen im Sommer 2015.

Und damit wären wir eigentlich komplett. So war der Plan. Aber seit der Geburt unseres zweiten Mädchens geht mir die Sehnsucht nach einem dritten Kind nicht mehr aus dem Herzen. Ich empfinde das zum einen als undankbar  (ich habe doch  zwei gesunde Kinder / nie eine Fehlgeburt erleiden müssen -will ich mein Glück etwa unnötig herausfordern??) und zum anderen als tollkühn (Hallo? Die ganze Welt scheint auf 2 Kinder ausgelegt zu sein;  Urlaubsangebote/Familientickets in Freizeitparks und auch unser Haus und Auto ist besser bedient mit 4 als mit 5 Personen).

Außerdem hoffte ich die ganze Zeit irgendwie, dass es eventuell noch die Hormone sind, die diese Wehmut in mir auslösen, und dass es sicher vorbeigeht…aber nun ist das kleine Mädchen schon 6 Wochen alt. Und die Sehnsucht wird eher stärker als schwächer. ..

Ich rechne hin und her, überlege dies und das, vertrau mich offen dem Mann an (der nicht gänzlich abgeneigt ist, aber mit der Situation, so wie sie jetzt ist, äußerst gut leben kann). Und trotzdem komm ich nicht voran mit meinem Gedankenwirrwarr. Ich lese in den Blogs http://www.dailypia.de und http://www.berlinmittemom.com über die Gefühle anderer Mütter die einen Drittkindwunsch hatten (und umgesetzt haben). Versuche irgendwie mich dort zu finden.  Etwas in mir zu finden. Eine Antwort wäre was.  Eine Lösung noch besser. Ich hätte ja gern alle Zeit der Welt, aber die habe ich nicht.  Erstens weil ich in weniger als zwei Monaten 36 werde und auf keinen Fall mit 40 nochmal Mama werden will (eigentlich auch nicht mit ü38) und zweitens, weil ich einen engen Altersabstand der Kinder bevorzuge. Klingt für den einen nach Himmelfahrtskommando,  ist aber das was ich favorisiere  (solange sich sowas eben plan lässt  (s.o.)).

Nun ja. Nun sitz ich hier ich armer Tor…und bin so klug …..ihr kennt das ja.

Vorläufig sieht der Plan so aus: ich werde mir noch bis Ende des Jahres Zeit lassen, mich von und mit den Gedanken und dem bis dahin noch zu Erlebenden treiben lassen. Mich immer wieder mit dem Mann besprechen und dann hoffentlich dem Herzen folgen dürfen. Das muss bis dahin natürlich mal aus dem Quark gekommen sein…

Und eins wissen wir ja alle: Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle!

Vom Kinder auf die Welt bringen

Ich habe schon vor der Geburt unseres ersten Mädchens unheimlich gerne Geburtsberichte gelesen. Ich fand es spannend wie Frauen das Erlebte schilderten und wollte erfahren, was alles so geschehen kann während eines Geburtsverlaufs. Besonders berührt haben mich die positiven Emotionen, die ich aus jedem Bericht (undklangerfüreinenAußenstehendennochsoschrecklich) herauslesen konnte. Dieses Phänomen faszinierte mich und auf der anderen Seite hab ich es nie so richtig glauben wollen. Ich hielt es schlichtweg für einen Mythos; Schmerzen die man vergisst? Unglaubliche, unmenschlische Schmerzen, die man noch nie vorher hatte,? Und dann kann man diese Schmerzen im Nachhinein noch nicht mal mehr ordentlich beschreiben, weil man sie vergessen hat, plötzlich alles weg?? ‚Nee, nee meine Lieben!‘ hab ich gedacht, ‚Nicht mit mir!‘ hab ich gedacht. Wenn ihr das braucht um euch als gute Mütter zu fühlen ‚Na dann bitteschön!‘ hab ich mir gesagt, und mir vorgenommen selbst ganz ehrlich zu sein. Zu mir aber auch zu anderen Müttern wollte ich das sein.

Nun ja, was soll ich sagen, die Geburt unseres ersten Jadekinds zog sich unendlich hin. Vom vorzeitigen Blasensprung riss (daswarjaderMist) bis zum Endlich-in-den-Armen-halten, vergingen 45 (in Worten: fünfundvierzig!) Stunden. Zwischendrin, speziell während der 10 Stunden im Kreißsaal, speziell in den letzten 5 davon, war ich sauer. Sauer auf diese ganzen Frauen Lügnerinnen, die das immer wieder geschrieben hatten; ‚Den Schmerz hab ich sofort vergessen, es war gar nicht so schlimm, eine Geburt ist ein unbeschreiblich schönes Erlebnis.‘ Ja, da hab ich mir nämlich gedacht ‚NIEMALS NIE vergesse ich diesen Schmerz, NEVER EVER!‘. Ganz sicher war ich mir damit. Da hatte ich aber tatsächlich die Rechnung ohne den Wirt gemacht, da wusste ich noch nicht was passieren würde, da war mir noch nicht klar, das gleich, in den nächsten Stunden, von einer auf die andere Minute, mein Leben neu beginnen würde, alles plötzlich einen Sinn bekommen würde, denn da würde dieser kleine Mensch kommen. Unglaublich klein, unglaublich hilflos, unglaublich schön, unglaublich gut duftend (wiegehtdasdennbittewennmanmonatelangeingelegtist?) und vor allen Dingen eines: unglaublich perfekt. Ich war chancenlos, von Anfang an, aber das wusste ich nicht. Ich hatte keine Ahnung. Alles was ich mir vorgenommen hatte war weg, Makulatur. Hätte mich meine Hebamme nicht während der Geburt gefragt wie sich der Schmerz gerade anfühlt (ichsagtewieeinGürteldenmanimmerengermacht), ich schwöre, ich könnte den Schmerz nicht mehr beschreiben. Es ist wahr, ich habe jeden Schmerz in dem Moment vergessen als dieses neues Leben, nass und warm, auf meiner Brust lag und uns anschaute, mit großen Augen, ohne zu weinen, nur mit großen Augen guckte wo sie gelandet war. Zum allerersten Mal. Das war der magischste Moment meines Lebens (unddaswarvorherallesanderealsfad). Genau das war es; Magie. Alles war anders und der Schmerz weg.

Ich würde gerne etwas anders erzählen, wenn es die Wahrheit wäre, aber das ist es nicht. Die Wahrheit spreche ich, so wahr mir Gott helfe. Mein Mann und ich waren noch tagelang im ultimativen Glücksrausch, immer wieder versicherten wir uns gegenseitig, dass das das unglaublichste Erlebnis unsere Lebens war. Es miteinander zu teilen verbindet uns bis heute sehr tief. Und so kommt es, dass die Absurdität Dualität des Lebens genau in diesen oben noch genervt-angekündigten 45 Stunden und speziell in den letzten 10 beziehungsweise 5 Stunden vor Jadekinds Geburt wiederzufinden ist. Gerade das lange Warten, gerade diese Zeit davor, das Zweifeln ob alles gut geht, das Beten zu Gott er möge uns beistehen, die Angst vor dem drohenden Kaiserschnitt, der Mut es doch zu schaffen, gemeinsam stark zu sein, der unbedingte Wille von uns dreien, das alles werde ich nie vergessen. Mein Mann auch nicht. Every minute counts. Keine möchte ich missen. Nicht ein bisschen Schmerz (welcherSchmerz?) weniger. Es war, um ehrlich zu sein sogar so, dass die Erinnerung an die Geburt unbedingt wach halten wollte. Sehr lange hab ich die Wasserflasche, die mein Mann mir immer wieder in dieser Nacht reichte (einbilligeOnewayVolvicflasche), aufgehoben, ich wollte sie nicht gehen lassen, die polyethylenterephtalathaltige Begleiterin der schönsten Stunden meines Lebens, ich war so wehmütig.

Unmittelbar nach der Geburt sagte ich zu meinem Mann „Ich hab das Leben jetzt erst verstanden!“. Damals hab ich nicht viel drüber nachgedacht, der Satz sprudelte so aus mir raus, genau wie die Tränen. Aber er ist alles was ich dazu sagen kann. Es wurde einfach plötzlich alles klar. Warum Menschen sterben müssen, wie es ist geboren zu werden, warum wir hier sind, welches Wunder hinter allem steckt und das es Gott gibt. Das alles war für mich nun ganz klar. Keine Fragen mehr. Viel später sagte ich es nochmal anders, ich behaupte wir hatten eine Begegnung mit Gott in dieser Nacht. Und wenn nicht das, dann waren wir nah dran. Wir waren nämlich gar nicht mehr hier, im Kreißsaal Nummer 3, sondern irgendwo anders, irgendwo dazwischen und sind mit dem größten Geschenk wieder auf der Erde gelandet.

Ich höre es schon, die Frauen die das nun eventuell lesen und denken ‚Meine Güte, krieg dich ein, die Nummer mit dem Schmerz glaub ich dir eh nicht und den restlichen Kitsch kannste auch weglassen, ehrlich ma!’…ich verstehe es, ich war da auch, an dieser Stelle. Es ist eben ganz einfach etwas, dass man nicht vermitteln kann, man muss es erleben, durchleben, mitleben. Ich wünsche das jedem Menschen, dieses Gefühl. Vielleicht geht das ja auch anders, vielleicht muss man dazu kein Kind auf die Welt bringen. Für uns war es so. Wir sind glücklich dieses Wunder im Juli dieses Jahres zum zweiten Mal erlebt haben zu dürfen. Es war ganz anders, aber nicht weniger magisch. Ich erzähle davon später, ein anderes Mal. Vom Kinder auf die Welt bringen.